Seit vielen Jahren begleite ich Unternehmen im Nachfolgeprozess. Die geglückte Unternehmensnachfolge liegt mir am Herzen. Ein emotionales Thema, das häufig mit vielen Fragen beginnt. Manchmal sind es die ersten, eher philosophischen Gedanken, wie „Was bleibt von meiner Idee, wenn ich in Ruhestand gehe?“, die Unternehmer in dieser frühen Phase umtreiben.

Geglückte Unternehmensnachfolge

Entweder – oder, oder, oder …

Manche meiner Kunden drücken in den Coachings ihre Überlegungen direkter aus mit Worten wie: “Abschließen und Schlüssel wegwerfen oder finde ich jemanden, dem ich den Staffelstab weitergeben kann?” Oder es gibt in den Unternehmen gemeinsame Workshops mit allen Beteiligten. Inhalt ist meist der zeitliche Ablauf der Nachfolge. Im Laufe der Arbeit stellt sich dann heraus, dass es unzählige Fragen gibt, die zuvor gar nicht bewusst waren. Hier ist wichtig, dass jede Partei die wichtigsten Fragen für sich beantwortet. Erst dann können sich die Beteiligten über einen verbindlichen Fahrplan der Übergabe verständigen.

Oder ich begleite Nachfolger*innen beim Hineinwachsen in die neue Aufgabe. Hierbei erlebe ich in jeder Konstellation ganz eigene Herausforderungen, die gemeistert werden wollen. Für die einen ist es die neue Rolle innerhalb des Teams oder der Familie, die gefüllt werden muss. Für andere sind es die großen Zahlen und die damit verbundene Verantwortung, die ihnen Kopfzerbrechen macht.

Nachfolge braucht Sortieren im Vorfeld

Im Moment erlebe ich gerade im direkten Umfeld beide Seiten: bei den Gleichaltrigen mit Mitte und Ende 50zig, die langsam über das Aufhören nachdenken, bei den Freunden und Freundinnen meiner Tochter, die als Nachfolger*innen in Frage kommen. Dabei erkenne ich das eher willkürliche Nachdenken und Sortieren des Themas. Schon früh setzt eine Überforderung durch die Komplexität des Themas ein. Häufig gefolgt von Aussitzen, Verdrängen und Schweigen gerade auch innerhalb der Familien.

Licht im Dunkel oder Durchblick im Dschungel

Nachfolge ist eine der komplexesten Herausforderungen im Unternehmerleben. Sie ist gekennzeichnet durch die unterschiedliche Interessen der Beteiligten und langjährigen Beziehungen mit diversen Verwicklungen. Das muss nicht so sein. Wie bei jedem anderen vielschichtigen Prozess ist es wichtig hier systematisch vorzugehen.

Es lassen sich drei Phasen im zeitlichen Ablauf beschreiben:

  1. Vor der Übergabe mit den ersten Überlegungen und verschiedenen Interessen.
  2. Die vertragliche Übergabe mit Zahlen, Daten und Fakten und Unterschriften.
  3. Die Entscheidung für die Zukunft gestalten: neue Verantwortlichkeiten und Chef*innen.

Positionen, Interessen und Konstellationen

Es gibt immer zwei Positionen mit sehr unterschiedlichen Interessen: Der Abgebende und der Übernehmende. Zu verstehen, dass unterschiedliche Standpunkte verschiedene Blickwinkel und Horizonte eröffnen und damit sich auf die Prioritäten unterscheiden, ist eine der zentralen Herausforderungen im Prozess der geglückten Unternehmensnachfolge. Vielfältigte berechtigte Anliegen sind wahrzunehmen, zu akzeptieren und dann in die gemeinsame Verhandlung und Klärung einzubringen.

Es sind zahlreiche gesellschaftsrechtliche Konstellationen möglich:

  • Übergabe in der Familie, vielleicht schon als Tradition;
  • firmeninterne Übergabe an Mitarbeitende;
  • Externer Verkauf an Geschäftsführer und/oder Gesellschafter
  • Verkauf an eine juristische Person, eine Gesellschaft (Private Equity)

Die einzelnen Phasen, Positionen und Konstellationen haben individuelle Fragestellungen, die sich je nach Standpunkt sehr unterscheiden. Im Folgenden schlage ich Ihnen eine Struktur vor, mit der Sie Schritt für Schritt vorgehen, um eine tragfähige Entscheidung treffen zu können.

Erster Schritt: Entscheidung für die eigene Klarheit

Ein smarter Unternehmer, eine smarte Unternehmerin überlegt sich frühzeitig, wie der Laden auch ohne sie oder ihn läuft. Damit meine ich nicht nur den Ausstieg aus Altersgründen. Es kann in jedem Alter Gründe geben, die einen Notfallplan für das Unternehmen und existenzielle Hilfe erfordern – zum Beispiel im Krankheitsfall. Es ist ebenfalls klug, sich frühzeitig mit dem Ausstieg aus Altersgründen zu beschäftigen. Eine Zeitspanne von zirka 5 Jahren vor der Übergabe gilt als idealer Zeitraum für die Gestaltung einer geglückten Unternehmensnachfolge. Natürlich sind auch die Größe des Unternehmens und das Geschäftsmodell für die Übergabe von Belang. In dieser frühen Phase geht es vor allem darum, dass Sie sich darüber klar werden, was Sie wirklich wollen.

Bedenken Sie:

Je klarer das Bild von dem, was Sie möchten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, es zu erreichen!

Zweiter Schritt: Auch die andere Seite braucht innere Klarheit

Sie haben sich sortiert und wissen nun, was Ihnen bei der Nachfolge wichtig ist. Nun müssen Sie die andere Seite ansprechen und ihr die Möglichkeit geben, sich für diese große Herausforderung zu sortieren. Je gründlicher Sie hier vorgehen, desto leichter wird es im Nachgang. Dasselbe gilt für Ihre potenzielle Nachfolge. Stellen Sie ihr einen professionellen Sparringspartner für diesen Prozess zur Seite. Kaum jemand hat aus sich heraus eine klare Vorstellung von der Komplexität des Themas. Mit einem erfahrenen Coach kann Ihr Nachfolger diese Herausforderung souveräner meistern.

Bevor Sie miteinander ins intensive Gespräch gehen, muss auf jeden Fall auch der oder die potentiellen Übernehmer für sich klären, was für sie entscheidend ist. Verhandeln kann nur, wer weiß, was er will: „Was will ich? Wohin will ich? Worauf kommt es mir an?“

Bedenken Sie:

Beide Parteien brauchen eine klare Position, damit die Verhandlungen gelingen!

Dritter Schritt: Verhandeln für die Zukunft Ihres Unternehmens

Im gemeinsamen Gespräch sollten beide Parteien gut zuhören, was der andere will. Echtes Verstehen – auch von dem, was hinter den einzelnen Aussagen, Interessen und Prioritäten liegt – verhindert Missverständnisse und sorgt für Augenhöhe. In der Zwischenzeit ist es wichtig, dass jeder sich wieder in Ruhe sortiert.

Diese Fragen helfen dabei:
  • Welche Gemeinsamkeiten gibt es?
  • Wo sind Schnittstellen?
  • Welche Vorstellungen schließen sich gegenseitig aus?

Einen umfangreichen Übergabe-Arbeitsbogen und eine Video-Reihe zum Thema finden Sie hier.

Nehmen Sie sich Zeit für diesen Schritt. Diese Themen lassen sich nicht zwischen Tür und Angel – nicht beim Familienkaffee am Sonntag – besprechen. Hier kann ein professionelles Setting in einem Tagungshotel helfen – weg vom Alltagsgeschäft auf neutralem Boden.

Nun ist es je nach Fragestellungen sinnvoll, Fachleute wie Steuerberater oder Rechtsanwälte dazu zu nehmen. Und je klarer es für die Beteiligten wird, auch schon mal an die Hausbank zu denken.

Auf jeden Fall gilt die Regel:

Je besser Sie die Themen im Vorfeld miteinander geklärt haben, desto leichter gestalten sich die Verträge.

In der Umkehrung kann es auch bedeuten: Je weniger klar der Abgebende und der Übernehmende sind, umso heiße Themen spült es bei den harten Fakten nach oben. Das ist anstrengend, kräftezehrend für alle Beteiligten und wird letztlich Ihrem Lebenswerk nicht gerecht.

Nachdem Sie heute die Schritte der Klärung vor der heißen Phase der Übergabe kennengelernt haben, erfahren Sie unter diesem Beitrag, welche weiteren Kriterien für die geglückte Unternehmensnachfolge zu bedenken sind …

… damit es gut weitergeht – für Sie und Ihr Unternehmen.

Herzliche Grüße aus Wuppertal,
Ihre Lioba Heinzler

 

Die Themen in dieser Artikelreihe:

  1. Geglückte Unternehmensnachfolge: Eine tragfähige Entscheidung treffen
  2. Erfolgreiche Unternehmensnachfolge: Diese Fragen sollten Sie sich vor den Vertragsverhandlungen stellen!
  3. So gelingen die Vertragsverhandlung in der Unternehmensnachfolge!
  4. Die letzte Etappe in der Unternehmensnachfolge erfolgreich meistern

(Bildquelle: «Welche Richtung einschlagen?» © stockpics via fotolia.com)

 

Auf meinem Youtube-Kanal finden Sie weitere Anregungen hierzu.