Steuerberater und Rechtsanwältinnen erzählen mir häufiger von Unternehmensnachfolgen, bei denen die Übergabe-Verhandlungen für alle Beteiligten sehr anstrengend und aufreibend sind. Sicherlich sind die konkreten Auslöser und Auswirkungen verschieden. Die zentrale Ursache ist jedoch meist, dass die beiden Seiten im Vorfeld nicht hinreichend für sich geklärt hatten, was für sie Wert hat und wo die Prioritäten liegen.

Bei einem komplexen Thema wie der Unternehmensnachfolge wundert das nicht. Wo sollen Sie anfangen? Wie ist dieses große Puzzle mit seinen vielen verschiedenen Teilen zu sortieren? Wie behalten Sie den Überblick bei den verschiedenen Facetten und Aspekten? Und wie kommen Sie zu guten Antworten auf all ihre Fragen?

Berücksichtigen Sie die Komplexität der Unternehmensnachfolge.

Denken Sie vom Ende her: Wann soll die Übergabe stattfinden? Machen Sie zuerst einen groben Projektplan. Dieser unterscheidet sich für Sie als Übergeber*in oder Übernehmer*in. Damit es leichter geht, sollten Sie als Übergeber*in frühzeitig planen und Initiative ergreifen. So werden Sie nicht vom Leben überrollt und von Fristen eingeholt. Und so sorgen Sie vor und haben noch genug Zeit und Raum für einen Plan B – sollte die erste und nahe liegende Idee nicht funktionieren.

Reservieren Sie Zeit für Ihre Überlegungen.

Diese Fragen sollten Sie sich vor den Vertragsverhandlungen stellen

Ihr Arbeitsalltag ist wie der der meisten Selbstständigen gut gefüllt mit Terminen und Aufgaben, die abgearbeitet werden müssen. Wenn Sie sich nicht bewusst Zeit für dieses wichtige Projekt reservieren, wird die Dringlichkeit der täglichen Aufgaben wenig Raum lassen, um das Puzzle zu sortieren und Klarheit zu gewinnen. Am besten suchen Sie sich für die Überlegungen einen anderen Ort, als den Schreibtisch Ihrer täglichen Arbeit.

Gehen Sie raus in ein ruhiges Café, ein Hotel oder wählen Sie eine andere Wohlfühl-Oase, um in Ruhe für ein paar Stunden Ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Nutzen Sie ein schönes Notizbuch, in dem Sie Ihre Gedanken schriftlich festhalten. Handschriftlich geht eine solche Arbeit meist leichter von der Hand. Skizzieren Sie mit verschiedenen Farben, Pfeilen, Kreisen und anderen Symbolen Ihren Gedankenfluss. So entsteht ein Bild aus Ihren Gedanken. Mindmaps helfen ebenfalls dabei Gedanken zu ordnen und sie bildlich darstellen.

Emotionen gehören dazu

Bedenken Sie: Das Thema „Übergabe“ hat viel mit Ihrer Lebensgeschichte zu tun. Für Sie als Übergeber*in, weil Sie mit diesem Unternehmen gelebt und wichtige Erfahrungen gemacht haben. Und für Sie als Übernehmer*in, weil sich darin Ihre Vision und der Verlauf Ihrer Zukunft wiederfindet. Es geht um Ihre Erfahrungen, Visionen, Hoffnungen, Enttäuschungen, Ängste, um Ihre Emotionen und Werte. Sich diesen zu stellen, ist nicht immer angenehm. Stellen Sie sich jedoch diesen Spannungen und nehmen Sie sie als Teil Ihres Lebens an, bleiben Sie handlungsfähig und behalten Ihrer Souveränität.

Fragen sind der Schlüssel zur Klarheit!

Sie helfen uns …

  • gewohnte Sichtweisen auf den Kopf zu stellen,
  • hinter die Fassade zu blicken,
  • Selbstverständliches nochmals anders zu sehen.

Manchmal piksen und kratzen sie uns, decken Widersprüche auf und sind unangenehm. Damit helfen sie uns weiterzuentwickeln, zu lernen, lebendig und neugierig zu bleiben. Und eben nicht abzustumpfen. Stellen Sie sich den folgenden Fragen in Ihrem Tempo. Das hilft Ihnen dabei, sich Raum zu nehmen und über die Konsequenzen nachzudenken.

Fragen an den Übergeber*in:

  • Wann will ich mich wie verabschieden?
  • Welchem Vorlauf brauche ich, um mich angemessen zu verabschieden?
  • Was wäre die optimale Lösung für das Unternehmen? Und finanziell für mich?
  • Was mache ich mit meiner neuen Freiheit? Wie stelle ich mir die nächste Lebensphase vor?
  • Will ich firmenintern oder familienintern übergeben? Wer kommt dafür in Frage?
  • Welches Thema macht mir am meisten Bauchschmerzen? Welche ist meine größte Sorge?
  • Was liegt mir in Bezug auf die Firma am meisten am Herz? Und was ist mein größter Wunsch?
  • Welches sind meine entscheidenden Werte, die ich weitergeben möchte?
  • Was ist für mich notwendig, um die Firma gut loslassen zu können?
  • Wie geht es mir bei dem Gedanken, dass meine Nachfolger*in Entscheidungen trifft, die ich so nicht getroffen hätte?
  • Was brauche ich, um in die Nachfolge vertrauen zu können?
  • Zu welchem Zeitpunkt ist es klug, die Mitarbeiter und Kunden zu informieren?

Fragen an den Übernehmer*in:

  • Will ich die Übernahme der Firma wirklich? Oder arbeite ich lieber in einem anderen, größeren/kleineren Unternehmen?
  • Reicht mir diese Firmengröße und Branche? Oder will ich eigentlich etwas ganz Anderes?
  • Traue ich mich? Bekomme ich das wirklich hin?
  • Wird wirklich übergeben oder hängt der/die Seniorchef*in immer noch mit drin?
  • Wie kommen alle in ein Boot und wie halte ich sie dort?
  • Was sagen die anderen in der Firma/Familie?
  • Welches Thema macht mir am meisten Bauchschmerzen? Was ist meine größte Sorge?
  • Wie soll mein Berufs-, Privat- und Familienleben in zehn Jahren aussehen?
  • Was liegt mir in Bezug auf die Firma am meisten am Herz? Welcher ist mein größter Wunsch?
  • Stimmen meine wichtigsten Werte mit denen der Unternehmenstradition überein?
  • Welche Sätze prägen mich und meine Familie in Bezug auf die Arbeit, die Firma, das Familienleben?
  • Wie geht es mir damit, dass ich Entscheidungen treffen muss, die bisher so nicht üblich waren?

Einen umfangreichen Übergabe-Arbeitsbogen und eine Video-Reihe zum Thema finden Sie hier.

“Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.” (Gustav Mahler)

Eine erfahrene Partnerin in der Nachfolge.

Damit Lebensentscheidungen von großer Tragweite nachhaltig bestehen, sollten sie so bewusst wie möglich getroffen werden. Wenn Sie sich systematisch den entscheidenden und zukunftsweisenden Fragen stellen, legen Sie eine tragfähige Basis für eine gute Entscheidung im Konsens mit den Beteiligten. Das gilt für Sie als Übergeber*in, wie auch Übergeber*in. Hilfreich ist auch immer, sich eine externe professionelle Unterstützung zu suchen. Vielleicht in einem Einzelcoaching mit einem Denkpartner. Oder bei einem zum Thema passenden Workshops von anderen zu hören, wie sie dieses Thema angehen.

Damit die erfolgreiche Unternehmensnachfolge gelingt, und es für Sie und Ihr Unternehmen gut weitergeht.

Herzliche Grüße aus Wuppertal,
Ihre Lioba Heinzler

 

Die Themen in dieser Artikelreihe:

  1. Geglückte Unternehmensnachfolge: Eine tragfähige Entscheidung treffen
  2. Erfolgreiche Unternehmensnachfolge: Diese Fragen sollten Sie sich vor den Vertragsverhandlungen stellen!
  3. So gelingen die Vertragsverhandlung in der Unternehmensnachfolge!
  4. Die letzte Etappe in der Unternehmensnachfolge erfolgreich meistern

 

Auf meinem Youtube-Kanal finden Sie weitere Anregungen hierzu.