Ich liebe es, mit Geschäftsführern, Geschäftsführerinnen und Führungskräften zu arbeiten, die Zukunftsgestalter oder Gestalterin sind. Ich weiß, wie anspruchsvoll es ist, die Verantwortung für die Firma und das Team zu tragen. Und es ist sehr unterschiedlich, wie Menschen mit dieser Verantwortung umgehen. Zum einen gibt es die, die Herausforderungen aktiv an den Hörnern packen und sich Lösungen überlegen, die weiterführen. Und es gibt die, die abwarten … was manchmal klug ist. Und manchmal auch ängstlich, endlos lange warten und hoffen, dass die Welt aufhört sich weiterzudrehen. Sie hoffen, dass die Veränderungen der neuen Zeit verschwinden, damit es bleibt wie bisher.

Erschreckend oft trauen sich Führungskräfte nicht, ihre Power und Persönlichkeit einzubringen und konstruktiv nach vorne zu denken. Zumindest nicht genug. Dabei ist das genau ihr Job, ihre Aufgabe und Verantwortung. Sie sind gleichgültig und versuchen, neutral zu sein. Sie bleiben im Hier und Jetzt verhaftet. Somit übernehmen sie nicht wirklich Führung. Sie und ihr Team verharren. Und das liegt an drei Denkfallen.

Denkfalle Nr. 1: Das Alltagsgeschäft und der Kundenauftrag sind das Wichtigste.

Ich erlebe immer wieder, dass der Arbeitsalltag alles monopolisiert. Das Tagesgeschäft, irgendwelche Meetings, das wird als dringend eingestuft. Die wichtigen Aufgaben, also das, was das Unternehmen und das Team mittel- und langfristig weiterbringt, wird nicht beachtet – oder immer wieder verschoben. Keine Zeit!

Was daran stimmt: Ja, das Alltagsgeschäft sichert die Basis, daher kommen die Brötchen. Ein reibungsloser Ablauf mit einheitlichen Standards hilft, damit nicht über alles ständig neu diskutiert werden muss, damit der Einzelne sich auf etwas verlassen kann. Jeder weiß, was zu tun ist und wie was läuft.

Aber: Manches wird schon lange so getan, ohne dass es noch sinnvoll ist. Das Rad läuft. Doch wozu? Warum so? Wer sich nicht regelmäßig Zeiten reserviert für das Nach- und Querdenken, wer nicht hinterfragt, was er tut  – verpasst den Zug. Mal abgesehen davon, dass unser Kopf träger wird und das Lösungsdenken einrostet.

Zukunftsgestalter denken über den Tellerrand:

Alle Abläufe und Regeln brauchen in bestimmten Abständen einen Check, ob sie noch sinnvoll sind. Management heißt nicht nur „verwalten, was da ist“ und nicht nur „bestimmte Zahlen erreichen“, sondern es bedeutet, sich systematisch Zeit für Reflexion zu nehmen: Manöverkritik  – Wie ist es gelaufen? Was lässt sich verbessern? – Konzeptionelle und strategische Maßnahmen: Wie halten und steigern wir die Qualität unserer Arbeit? Wie reagieren wir angemessen auf die neuen Herausforderungen? So entsteht Verbesserung!

Denkfalle Nr. 2: Nimm Dich nicht so wichtig und erfülle die Maßstäbe der anderen.

Die Generation der heutigen Führungskräfte, also 45plus hat das noch intensiv gelernt. Damals in den Familien, in vielen Schulen und in Betrieben, war das Funktionieren des Einzelnen ein hohes Gut nach dem Motto „Wo kommen wir denn hin, wenn jeder macht, was er will?“ Natürlich gibt es das in vielen Unternehmen noch immer.

Was daran stimmt: Ja, niemand ist der Nabel der Welt. So bleibt man in Bodenhaftung und vor allem offen für andere Sicht- und Herangehensweisen. Und natürlich: In einer Mannschaft muss der Einzelne an seinem Platz seine Aufgaben erfüllen, damit das Spiel gewonnen werden kann. So ist es auch bei der Arbeit: Wir werden fürs Funktionieren bezahlt.

Aber: Wenn das alles wäre, könnten Roboter unsere Arbeit übernehmen. Man hat Ihnen diese Aufgabe übertragen, damit Sie neben Ihrer fachlichen Kompetenz noch mehr einbringen. Es geht auch um Ihre Erfahrungen, Werte, Empathie und Gefühle. Zum einen, damit Sie Ihr Team vertrauensvoll führen. Zum anderen, um Herausforderungen zu erkennen, um innovativ und kreativ Lösungen zu entwickeln.

Zukunftsgestalter denken über den Tellerrand:

Die Leistung jedes Teams ist am Ende von einer vertrauensvollen Beziehung abhängig. Verantwortung dafür trägt in erster Linie die Führungskraft. Es nützt die größte Fachkompetenz nichts, wenn kein Vertrauensverhältnis besteht. Doch diese entscheidenden Qualitäten wurden uns nicht in die Wiege gelegt. Stabile, wertschätzende Beziehungen auch im Beruf zu entwickeln und profiliert Position zu beziehen, ist wie fast alles im Leben eine Übungssache. Zuerst ist eine klare Entscheidung notwendig, dass Sie sich als Persönlichkeit weiterentwickeln wollen. Und dann ein Plan, wie Sie das Thema nachhaltig verfolgen.

Denkfalle Nr. 3: Wer Visionen hat, ist ein Fall für den Doktor.

Der Volksmund kennt viele Sprüche, die uns klein und unbedeutend halten (sollen). Diese Sprüche wirken und manch einer traut der eigenen inneren Größe nicht. Sicherlich ist nicht jeder von uns geboren, so eindrückliche Spuren wie Gandhi oder Elon Musk zu hinterlassen. Doch wozu wir Ja gesagt haben, tragen wir Verantwortung, diese Aufgabe mit unserer Persönlichkeit zu gestalten. Auch im Business!

Was daran stimmt: Schon manch einer hatte große Ideen und Träume und ist damit gescheitert. Und sind die Ideen zu groß, dann überfordert sich der Einzelne, wenn er sich keine Verstärkung holt.

Aber: Leben und Entwicklung heißt stolpern, fallen und wieder aufstehen. Wer sich keine oder nur sehr niedrige Ziele setzt, wächst nicht – und wird auch nie das erreichen, was möglich wäre. Denken Sie daran: The sky is the limit.

Zukunftsgestalter denken über den Tellerrand:

Als Führungskraft gibt es eine wichtige Doppelaufgabe: Einerseits ist es Ihre Aufgabe, sich mutig nach vorne zu wagen – und das bringt immer auch ein Risiko mit sich. Andererseits haben Sie Vorbildcharakter: Nur wenn Sie in Ihrem Team zeigen, dass Sie Visionen haben, dass es nicht nur okay, sondern ausdrücklich erwünscht ist, mit- und nach vorne zu denken, dann passiert Unglaubliches. Denn dann etablieren Sie eine Kultur, die automatisch nach Verbesserungen und Möglichkeiten greift. Wer visionär denkt, sichert – besonders in hart umkämpften Märkten – die Zukunft.

Zukunftsgestalter nutzen die Kraft der Führung

Unternehmenszukunft braucht Menschen, die bereit sind die Zukunft zu gestalten. Menschen, die etwas unternehmen, was in eine lebenswerte Zukunft führt. Diese Gestalter der Zukunft haben zum einen eine klare Vorstellung, wohin die Reise geht. Und sie leben selbstverständlich und kompetent die Selbstführung und Teamführung.

Die schlechte Nachricht: ohne diese Fähigkeiten ist eine große Idee zum Scheitern verurteilt.

Die gute Nachricht: Diese Schlüsselkompetenzen sind nicht angeboren. Sie können Sie lernen.

Doch wie geht eine Ausbildung in Geschäftsführung oder Unternehmensführung? Wie werde ich ein Gestalter, eine Gestalterin der Zukunft, die Spuren hinterlässt?

Ganz klar: Führen ist mehr, als nur das Tagesgeschäft zu managen!

Ein zwei Tages-Training hilft Ihnen nicht wirklich. So etwas ist prima, um ein paar Anregungen zu erhalten. Und es nützt Ihnen auch nichts, wenn Sie wissen wie es geht. Das einzige was weiterhilft ist, es tagtäglich anzuwenden. Und dafür muss es eine Gewohnheit sein, ganz selbstverständlich. Immer und immer wieder.

Damit etwas eine selbstverständliche Gewohnheit ist, und Sie gar nicht anders können, dafür ist ein Lernweg nötig. Es braucht einen Prozess der persönlichen Entwicklung. Denn wie Sie über sich und andere denken und mit sich und anderen umgehen, hängt von „unscheinbaren“ Faktoren ab. Also, wie Sie die Welt sehen, welche Werte Sie prägen, welche Vorbilder Sie hatten und welche Erfahrungen Sie machten. Es gibt weder bei der Teamführung noch bei der Selbstführung ein Modell, was für alle passt. Es ist Ihre individuelle Persönlichkeit, die darüber entscheidet, was passt und was nicht.

Zukunftsgestalter vertrauen sich und der Kraft ihres Teams

Menschen, die sich selbst ernst nehmen und ihren Vorstellungen trauen, können eine Vision für eine andere Welt entwickeln. Verändern können Sie die Welt nur, wenn sie ein Team haben, das den gleichen Traum mit trägt. Und dieses Team sich bereichernd einbringen kann. Nur dann kann trotz Rückschlägen, Fehlern, Scheitern und Mißerfolgen das Neue entstehen.

Zukunftsgestalter verankern „Lebenslanges Lernen“ in ihrem Alltag

Vor 100 Jahren konnte man nach einer Ausbildung und dem Meisterbrief oder einem Studium sagen, dass man genug weiß, um den Beruf ein Leben lang verantwortungsvoll auszuüben. Das hat sich geändert. Heute ist eine Ausbildung oder Studium eine Grundlage, um zu wissen, wie man sich neues Wissen aneignet. Die Halbwertzeit von Wissen verringert sich immer schneller. Und das bedeutet, dass alle, die Zukunft gestalten wollen, wach bleiben müssen, was die Entwicklungen in den verschiedenen Themen angeht. Dafür braucht es eine bewusste Entscheidung und feste Zeiten im Tages- oder Wochenablauf. Wenn Sie sich für das Lernen die Zeit nehmen, die übrig bleibt, dann sind sie auf Dauer kein Zukunftsgestalter.

Zukunftsgestalter bewahren sich ihre lebendige Neugierde

Neugierde heißt, mehr Fragen zu haben als Ansichten und Antworten. Es bedeutet, sich die kindliche Freude am Entdecken und Spiel zu erlauben. Zweckfrei die Dinge untersuchen und auf den Kopf stellen.

Das gelingt nicht gut, wenn ich unter Stress stehe. Wenn ich Druck habe, dann habe ich keine Nerven, um spielerisch und entspannt mit den Dingen und dem Leben umzugehen. Das bedeutet, dass Zukunftsgestalter darauf achten, dass sie sowenig wie möglich Überlastung und Überforderung auf Dauer, also Stress haben. Denn Stress verengt den Blick und nimmt mir die Möglichkeiten mit Neugierde mich dem Leben zu stellen. Stress auf Dauer macht müde und mürbe und zerstört Ihre Lebendigkeit.

Dies alles sind keine Privilegien der Jugend. Es liegt an jedem einzelnen, sich diese Freiräume bewusst zu gestalten. Deshalb gilt:

Zukunftsgestalter ist keine Frage des Alters

Erstveröffentlichung am 15. März 2016 – Überarbeitung am 15. Oktober 2019